[BUCHSTABENLIEBE]❤️

HYDRA

„Duuuu“, sage ich und du schaust mich einfach nur an.

„Ja?“ sagst du.

„Du sag mal, liebst du mich?“

„Ja klar“, sagst du, „warum“?

„Ähm, weil“, sag ich, „weil… nur mal so“.
Ich wiegle ab.

„Nur mal so“ ist nämlich gelogen.

Das weiss ich, „nur mal so“ ist ein „in Deckung gehen“.

Ein Schutzsuchen.

Ein Auftakt.

Gleich brennt es lichterloh.

Ich bin ein Feuerteufel.

Um mich herum wird es dunkel.

Mein Gegenüber ist gesichtslos geworden.

Mein Inneres gleicht dem einer Schallplattennadel, etwas justiert sie automatisch.

Immer weiter, ich will wohl in diese eine Spur rein.

Der Titel der Platte lautet: „Ich bin ungeliebt“.

Ein Evergreen.

Die Platte ist ziemlich alt. Genau gesagt 35 Jahre alt.

Die wurde schon in allen Variationen gespielt.

Und sie dreht sich schnell.

Mein Gegenüber hat keine Ahnung, dass die Platte gerade von mir ausgewählt wurde.

Gut dass es nicht die Einzige ist in meiner Sammlung.

Aber die meist gespielte eben.
„Ähm, ja“ setze ich noch mal an.

Du hebst die Augenbraue und sagts: „was denn?“

„Ja, hör mal ich habe so überlegt.“
Die Nadel findet ihre Spur die Schallplatte dreht sich.
„Wenn du so bist, so wie jetzt, dann, dann könnte ich meinen du liebst mich nicht“.
Ich bin geschickt, jahrzehntelange Übung machen es möglich.

Ich bin sehr gut. Treffsicher eben. Das geht zack zack.
„Mh, wie bin ich denn?“ sagst du.

„Na so, so abwesend“.

„Aha. Bin ich nicht ich höre genau zu und frage mich was los ist“ erwiderst du.
Ja, er hat angebissen, tatda! Er ist involviert, noch ein bisschen justieren und die Nadel ist in der Spur. Das Inferno wäre perfekt wenn er auch emotional involviert wäre.

Also dann. Das kriegen wir auch noch hin.
„Nein, tust du nicht sage ich. Du starrst so vor dich hin!

Ich denke, du liebst mich nicht!“
Ich setze nach, timing ist alles.
„Doch. Das tue ich“ sagst du.

„Nein“!

„Doch!“

„Aber warum?“ frage ich.

„Weil das nun mal so ist!“ sagst du, und streichst mir über das Gesicht.
Ha, er macht sich lustig.

Denk ich. Und drehe mich weg.

Das sitzt noch besser!
Du schaust nur, bist unbeeindruckt davon.

Du bleibst.
Aber warum?

Das weiss ich nicht dabei sagst du es andauernd.
„Ne, das kann nicht sein!“ meckere ich.

„Doch!“ sagst du immer noch ruhig.

„Nein“.
Da bin ich stur. Gelernt ist nun mal gelernt!
„Das kann sein, weil der Himmel blau und das Gras grün, die Erde rund und der Regen nass ist!

Deshalb liebe ich dich!“

Ich werde langsam wütend.

„Da, sooo jetzt hast du es. Ich bin sauer!“ schimpfe ich.

„Warum denn, mein Herz“? sagst du.
„Weil du mir immerzu widersprichst! Ich hasse das. Warum machst du das.

Warum machst du mich immer so wütend?

Du kannst mich gar nicht lieben, nein, nein!

Und du guckst so, ja. Wie du guckst!

Du wirst mich jetzt verlassen, nein, du hast es schon.

Du bist schon weg. Das ist pures Mitleid mit mir warum du noch da bist!“
„Nein“, sagst du.

Du sagst einfach nein.
Aber warum nur.
„Geh doch endlich endlich fort!

Es ist ok, ich kenne das!

Ich weiss wie das ist.

Geh endlich, nun geh schon!

Ja, es ist besser so, besser für uns alle!

Ja!“

Überall sind Tränen.

Im Grunde stehe ich schon mitten im eigenen Inferno.
Und du?

Du sitzt.

Und guckst.
„Weisst du Herz“, sagst du ruhig.

„Weisst du warum Harry Potter in einer seiner schlimmsten Notlagen das Schwert von Gryffindoor aus dem Hut holte?

Der Hut war nämlich ein guter Hut. Der wusste Bescheid.

Der war schlau!“
„Nein!“, sage ich.
Was will er mit dem Hut-Gefasel, was soll das?

Ich will das er schnell macht, schnell, zieh doch endlich das Messer und ersteche alle Hoffnung auf Glück, mach aber schnell und fasele nicht von Hüten und Zauberern.

Denke ich.
Du bleibst immer noch ruhig.

Und sagst:

„Weisst du? Ein Schwert kommt immer zum richtigen Zeitpunkt, um nämlich nur eines zu tun:

Der vielköpfigen Hydra ihre Köpfe abzuschlagen“.

Du atmest ganz ruhig ein und blätterst im Magazin die nächste Seite um.

„Mh!“, sage ich.
„Ich leih dir meins!“

sagst du, und gibst mir einen Kuss.
Köpfe rollen.

Die Hydra ist still.

Für heute.

Kein Text über Liebe

Stelle dir vor es gibt Liebe – und es ist dennoch nicht genug 

Stelle dir vor du bekommst Liebe.
Einfach so. Reichlich.

Bis du satt bist.

Und du bekommst und bekommst.

Ganz viel.

Fließt es in dich hinein.

Ein niemals zu endenden scheinender Strom.

An Selbstwert, Akzeptanz, Wohlgefallen,

Annahme.

Fließt warm und stetig.

Und er versiegt nicht.

Es hört nicht auf.

Stell dir vor du bekommst alles was du brauchst.

Um dich zu heilen.

Um zu verstehen dass du gewollt bist.

Dass du willkommen bist.

Du kannst dich endlich satt essen am Gefühl wertvoll

zu sein.

Du bist nur noch im Programm „bekommen“.

Stell dir vor jemand sagt und zeigt es dir.

Tag für Tag.

Wie wundervoll und schön du bist.

Dass dein Wesen einzigartig ist.

Und dass du all das Verdienst was du bekommst.

Und dann stell dir vor.

Du bemerkst, du hast alles was du dir immer gewünscht hast.

Endlich hat jede Entbehrung ein Ende.

Und dann stellst du mit Entsetzen fest,

Dass dir eben doch eines fehlt.

Ein kleines Detail.

Dir fehlen die Arme, um danach zu greifen.

Kein Text über Liebe

Tief im Wald – Der Wolf ist tot

Oh, du böser Wolf, 
Jetzt bist du tot. 

Ich habe dich erschlagen. 

Oh ja, mit meinen eigenen Händen. 

Niedergerungen. 

Bis du dich nicht mehr rühren konntest. 

Du schautest so finster und fürchterlich aus. 

Verstecktest dich im Dickicht,  

Tief, im Dunkel der Nacht. 

Wo Sterne und Mond nimmer mehr scheinen. 

Wo alles verlassen und tiefe Stille ward. 

Dort traf ich dich. 

Auf meinem eigenen persönlichen Weg. 
Und nun bist du tot. 

Oh, mein lieber böser Wolf, 

Wie habe ich dich geliebt. 

Wie habe ich versucht dein Freund zu sein.

Ich habe mich dir genähert, 

Mal langsam, 

Mal wachsam, 

Mal liebevoll, 

Mal achtsam. 

Von Weitem schien dein Fell so seiden, 

Deine Anmut so groß. 

Doch je näher ich kam, 

Desto mehr zeigtest du mir deine Zähne. 

Und ich erkannte es. 

Die Wolfsnatur wird sich niemals beugen. 

Wird düster bleiben, 

Und totgeweiht darbend alleine herumirren. 

Es ist dein Schicksal. 

Mich zu fangen, zu locken und dann zu verschlingen. 

Damit es wenigstens etwas gäbe, was lieblich ward an dir. 
Der Wolf ist tot. 

Und ich singe ein Lied und springe durch den hellen Wald, 

Das Körbchen schwenke ich hin und her, 

Es geht mir gut, endlich. 

Und ich freue mich. 

All die Jahre konnte ich nicht weiter gehen, 

All die Jahre verweilte ich. 

Du mein lieber böser Wolf, ich streichle dich, 

Und ich vergebe dir. 

Für deinen Blutdurst und deinen Hunger nach Licht. 
Der Wolf ist tot. 

Er war einmal. 

Und das was einmal war, 

Ist nicht mehr. 

Wird nimmer mehr sein. 

Und das ist gut so. 

Trau auch du dich in den Wald. 

Denn er lehrt dich heimzufinden. 

Was war loszulassen, 

Was ist zu verstehen, 

Was sein wird, anzunehmen. 
Der Wolf erwartet dich.

Tief im Wald.    

Foto: Suli / Yosemite NP / 2012

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